Berichte der Literaturgruppen


 

Sand VII

George Sand, Jeanne, 1844 (München 1993)

Vorbemerkung:

Der Roman „Jeanne“ wird zwar häufig als Sands erster Versuch zur Konzipierung eines Dorfromans angesehen, doch scheint mir diese Einordnung nicht zutreffend. Zwar spielt die Handlung in einer ländlichen Region und einige Figuren wie Jeanne und ihre Tante stammen aus bäuerlichen Verhältnissen, doch die tragenden Dialoge werden im Adelsmilieu vorgetragen, in dem die „Heilige Jeanne“ eine dienende Rolle erfüllt. Auch wenn die Titelfigur als Heilige, Reine, Arbeitsame und Schöne auftritt und in ihrer Weltanschauung dem Aberglauben und einer schlichten, bäuerlichen Religionsauffassung huldigt, so bleibt doch immer ihre Einbindung in die Adels- und Bürgerwelt handlungsbestimmend. Nur in wenigen Abschnitten kann der Roman auch als eine bäuerliche Milieustudie verstanden werden.

Lutz Seiler, Kruso, Frankfurt 2014

Kruso - Intermezzo I

Unsere neueste Inbesitznahme im Literaturkreis war der mit dem Deutschen Buchpreis 2014 ausgezeichnete Entwicklungsroman „Kruso“ von Lutz Seiler. Die Mehrheit der Teilnehmer äußerte sich ähnlich enthusiastisch wie die Juroren des Buchpreises, einige allerdings wunderten sich ein wenig über das euphorische Urteil der Literaturexperten.

Die Hauptthemen des „Flüchtlingsromans“ sind Identitätsfindung (Suche nach sich selbst und Gemeinschaft), Verlust und Hoffnung im Persönlichen wie im Politischen. Stofflich beschreibt Seiler die Situation von „Gestrandeten/Suchenden“ auf der Insel „Hiddensee“ im Jahr des Zusammenbruches des pseudosozialistischen Systems der DDR. Der Autor sieht den Schwerpunkt in den zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Außenseitergemeinschaft und ihren Zerfall aufgrund massiver politischer Veränderungen. Dieser Haupterzählstrang weist durchaus autobiographische Züge auf und verrät genauere Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse. In den beiden Hauptfiguren Kruso und Edgar (Ed) finden sich so auch Lebenserfahrungen des Autors wieder. Ergänzt wird der lebensgeschichtliche Hintergrund durch die Montage der Gedanken- und Lebenswelt des bedeutenden Vertreters der modernen Lyrik, Georg Trakl. Hinzu kommen noch aufwendige, aber letztlich kaum ertragreiche Recherchen des Autors zum Schicksal vermisster Bootsflüchtlinge aus der Epoche der DDR.