Ein Interview mit Waltraut Griesel zu ihrem 90zigsten Geburtstag

Eine Kasselerin überlebt die Bombennächte, wird zur Weltenbummlerin, findet in der Aka55plus ihre geistige Heimat.

Tapfer schiebt sie ihren Rollator über die holprigen Bürgersteige der nordhessischen Metropole Kassel. Wer ihr gegenübersteht, schaut in das Gesicht einer jungen Seniorin, die innig mit ihrer Gehhilfe verbunden ist. Sie ist immer noch die unternehmungslustige Frau und das älteste Mitglied der Aka55plus. Alle vierzehn Tage besucht sie die Französisch-Gruppe und auch noch den Filmclub, dankbar für dies kulturelle Angebot und die lebendigen Diskussionen.

Das hübsche Mädel wurde am 17.11.1928 in Kassel geboren. Sie glaubte anfangs der PropagandWaltraud Griesel a und liebte Adolf Hitler als ihren Ziehvater. Sie glaubte an sich und an die Tüchtigkeit der Deutschen. Als die Bomben fielen, spürte sie keine Angst. Erst als eine auf den Bunker stürzte, in dem sie mit Mutter und Geschwistern saß, lernte sie das Fürchten kennen und erste Zweifel stiegen in ihr auf. 1943 begann sie eine Lehre als technische Zeichnerin bei der Rüstungsfirma Henschel. Dann kamen die Amerikaner und ihr Lerneifer wurde je gestoppt. Erst 1947 konnte sie eine Ausbildung als Fotolaborantin aufnehmen. Sechs Stunden An- und Abfahrt musste sie in Kauf nehmen, um Ausbildungsstätte und ihr Zuhause zu erreichen. Sie lebte nach den Kriegszerstörungen in Kassel damals in Grifte. Dort lernt sie auch ihren späteren Ehemann kennen, ohne zu wissen, dass das Schicksal es diesbezüglich nicht so gut mit ihr gemeint hatte. Mit ihrem Gesellenbrief bewarb sie sich, in Ermangelung eines örtlichen Arbeitsplatzes als Haushaltshilfe in Frankreich. So erhielt sie ihren ersten Reisepass für das einstige Feindesland. Mit guten Französisch-Kenntnissen kehrte sie heim, verlor sich in Träumereien und heiratete 1954 den wohlhabenden und leichtsinnigen Unternehmersohn aus Gensungen/Grifte. Sie erwarb den Führerschein und übernahm Transporte für die Firma ihres Schwiegervaters. Nebenher besuchte sie eine Abendschule, für die Ausbildung zur technischen Zeichnerin. Sie malte und zeichnete, wurde von vielen dafür bewundert, ging weiter nachsichtig mit ihrem Ehemann um. Die Nachsicht mit ihrem Ehemann war lange vorbei und 1960 reichte sie die Scheidung ein. Trotz des guten Gehalts bei der Firma Wegmann wollte sie mehr von der Welt sehen und erwarb Reisepässe für Kanada und die USA. 1971 bis 1973 arbeitete sie z.T. als Kraftfahrerin in Südafrika. Immer wieder kehrte sie aber nach Kassel zurück, doch das Fernweh ließ sich nicht verdrängen. So erwarb sie insgesamt elf Reisepässe für alle Kontinente. Auch nach ihrer Verrentung bereiste sie als Rucksacktouristin die halbe Welt. Längere Zeit hielt sie sich in Brasilien auf. Dies hing wohl mit ihrer späteren Schwiegertochter zusammen, die heute mit ihrem Sohn in Berlin lebt. Mit 80 Jahren entdeckte sie wieder die Reize Kassels. Sie verzichtete auf Abenteuerreisen und suchte vor Ort sinnvolle Aktivitäten. So landete sie u.a. bei mehreren Vereinen und trat mit 82 Jahren unserer Aka55plus bei. Darüber haben wir uns sehr gefreut und auch sie hat diese Wahl nach eigener Aussage als Glücksgriff angesehen.

Was lernen wir daraus?

Für die Aka ist es nie zu spät und Platz für Neumitglieder ist noch reichlich vorhanden!

Aber jetzt erst einmal:

Danke Waltraut! Wir würden uns freuen, wenn du uns noch mehr aus deinem Leben preisgibst!

Wolfgang Schwarz, im November 2018

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