Literarischer Reiseproviant

Schimmelreiterpoemchen

Es peitscht der Regen
Es brüllt der Sturm
Es grollt die See
In Nebelschwaden verborgen
Der Schimmel
      Ein Reiter im flatternden Gewand
                       Überfliegen Watt und Haff 

So erzählt der ruhig, geschwätzige Schulmeister
Erzählt von Spukgestalten und Naturgewalten
Im Gasthaus hinterm sicheren Deiche
Wie Nordsee zur Mordsee wird
Erzählt vom armen Bauernsohn
Der zum Deichgrafen, zum Schimmelreiter aufsteigt
Bewundernd lauschen die Gäste
Hören von Hauke, dem Widerständler
Der göttliche Willkür nicht gelten lassen will.

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Kaum Hundert Jahre ist es her
Die Friesen kleben an der Scholle
Wie die längst bestatteten Ahnen
Inseln, Halligen, dem Meere abgerungen
Da taucht auf, ein Denker, ein Wollender
Hauke Haien sein Name
Der Knabe spricht:
„Unsere Deiche sind nichts wert,
die Wasserseite viel zu steil“
Nicht erwehren
Totlaufen lassen
Die türmenden, brechenden Wellen
Lautet sein Bekenntnis
Der Junge wird Kleinknecht beim müden Deichgrafen
Hoffnungen keimen auf, die ersten Erfolge
Doch der Feind an gleicher Stätte
Ole Peters, der Großknecht
Möchte die Tochter, möchte das Erbe

Elke, die Tochter des Deichgrafen
Weiß, was sie will
Will Hauke und Hauke liebt auch sie
Ole muss sich mit einer dicken
Reichen Bauerntochter begnügen
Hauke und Elke ein friesisches Traumpaar
Beide klug, tatendurstig, schön und sportlich
Beide lange heimlich verlobt
Der Pastor vermittelt, überzeugt den Alten und Trägen
Endlich verheiratet, endlich ein neuer Deichgraf
Hauke will einen Deich nach seinen Vorstellungen
Einen neuen Koog
Die Feinde spotten: Ein Deichgraf „seines Weibes wegen“
Die ersten Ehejahre und noch immer kein Nachwuchs
Elke verzweifelt
Hauke stürzt sich in die Arbeit
Kauft einen ausgehungerten Schimmel
Gut genährt wird er wild, treu und Haukes bester Freund
Pferd und Reiter bewundert und doch gefürchtet
Im 9. Ehejahr endlich Nachwuchs
Doch die Freude getrübt
Elke stirbt fast an Kindbettfieber
Das Kind, Wenke, so zeigt sich bald
Geistig behindert und doch geliebt
Die Neider bemühen die himmlische Ungerechtigkeit
Ein Gottesurteil für den Teufelsreiter und Gottesleugner
Der „Hauke Haien – Koog“
Endlich fertig
Zum Schluss der Heiden schwarze Rache
Was Lebendiges muss in den neuen Deich
Als Opfer ausersehen ein abgemagerter Hund
Hauke rettet im letzten Moment das arme Wesen
Die Wut der Rechtgläubigen kennt keine Grenzen
Familie Haien steht dagegen: Elke, Wenke, Hund und Schimmel
Die Feinde, allen voran Ole und seine Dicke
Wollen den alten Deich nicht reparieren
Oktober 1756:
Die heftigste Sturm- und Springflut seit Menschen Gedenken
Die Schlacht beginnt
Den alten Deich zu retten, schlagen die Feinde eine Furt
In den neuen, um die ungezügelten Ströme abzuleiten
Der Schimmelreiter jagt über die Deiche
Zu retten, was noch zu retten ist
Haukes Koog widersteht, doch die Angst ist stärker

Elke flieht mit dem Kind, der todbringenden Flut entgegen
Hauke bemerkt den Irrtum:
„Elke! Zurück! Zurück!“
Zu spät, Hauke gibt dem Schimmel die Sporen
Sie stürzen in die alles begehrenden Fluten
Die Familie von der Mordsee verschlungen
Der „Hauke Haien – Koog“ doch unbeschadet
Der Nachwelt mahnend überliefert
Zudem: Schimmel und Reiter
Spuken über Deich und Marschen
Wer wüsst es nicht im Friesenland?

Der Schimmelreiter überlebt dank Theodor
Nun schon 250 Jahre
Und weitere Jahre werden folgen.

Liebe Husumreisende des Literaturkreises:
Grüßt auch von mir den Dichter
Vergesst nicht meine Botschaft
An Hauke, den unsterblichen Denker und Erneuerer!

Wolfgang Schwarz, Oktober 2015